NOZ, 23.09.2018. 12:29 Uhr, von Sina-Christin Wilk
Zeichen der Versöhnung auf Heger Friedhof
Gedenken an verstorbene Kinder von Zwangsarbeiterinnen

Blumen wurden bei der Einweihung des Gedenksteins für die verstorbenen Kinder von Zwangsarbeiterinnen auf dem Heger Friedhof niedergelegt. Mit dabei: Die Geschwister Jan, Cobyund Sylvia van Wel sowie die Ehefrau von Jan van Wel (von links). Foto: Thomas Osterfeld
Osnabrück Als Anika Groskurt, Vorarbeiterin der Friedhofsabteilung der Osnabrücker Servicebetriebe im Herbst 2016 im Archiv auf Karteikarten stieß, die Sterbedaten von verstorbenen Kindern von Zwangsarbeiterinnen dokumentierten, war ihr sofort klar, dass eine Gedenkstätte nötig sei. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Petra Joachimsmeyer begab sie sich auf die Suche nach Unterstützung.
Neben Geldspenden von aktuell 3861 Euro boten zahlreiche Institutionen ihre Hilfe an. Im Rahmen einer Eröffnungsfeier wurde nun ein Gedenkstein auf dem Heger Friedhof enthüllt: 79 Kinder sind hier aufgelistet, viele von ihnen wurden nur wenige Tage oder Monate alt.
Als Vertreterin der Stadt sprach CDU Ratsmitglied Anette Meyer zu Strohen den Ehrenamtlichen ihren Dank für ihr Engagement aus. „Noch heute kann man sich niemand das Ausmaß des Leids vorstellen, dass die Menschen damals erdulden mussten“, sagte sie in ihrer Ansprache. Für die Friedensstadt Osnabrück sei es eine Verpflichtung, sich für Völkerverständigung einzusetzen. Der Gedenkstein trage dazu bei, dass die „Industrie des Ausbeutens und Tötens, die Industrie des Unmenschlichen“ nicht in Vergessenheit gerät. Historiker Dr. Volker Issmer gab einen summarischen Überblick über das Schicksal der Kinder von Zwangsarbeiterinnen. Einzelschicksale, über die nur wenige Details bekannt seien, und deren Aufarbeitung noch ganz am Anfang stehe. Prof. Dr. Reinhold Mokrosch, ev. Theologe und Sprecher des Runden Tisches der Religionen, wünschte den verstorbenen Kindern im Rahmen einer interreligiösen Meditation, dass sie ihren Frieden gefunden haben und versicherte, dass sie nicht vergessen seien. Schüler der Alexanderschule Wallenhorst beteiligten sich mit einer Andacht.
Neben zahlreichen Sponsoren, interessierten Bürgern und ehrenamtlichen Helfern gab es auch Ehrengäste: Die Geschwister Jan, Sylvia und Coby van Wel aus den Niederlanden. Ihre älteste Schwester, Jakoba Diana, war das erste Kind, das während der Zwangsarbeit der Eltern im Osnabrücker Land verstarb. Dass die Familie anwesend sein konnte, sei ein glücklicher Zufall, wie Groskurt sagte.

Blumen wurden bei der Einweihung des Gedenksteins fuer die Kinder von ZwangsarbeiterInnen niedergelegt. Foto: Thomas Osterfeld
Vor knapp zwei Jahren machte sie sich über das Internet auf die Suche nach lebenden Angehörigen der in dem Archiv verzeichneten Kinder. Im März 2017 wurde sie bei Facebook fündig. Coby van de Wel meldete sich auf ihre Anfrage. „Wir wussten immer, dass wir eine Schwester hatten. Nun lesen wir auf dem Papier, dass es sie wirklich gegeben hat“, so Coby van de Wel. Ihre Mutter habe das Schicksal ihrer ältesten Tochter, die 1942 im Alter von knapp vier Monate verstarb, nie losgelassen. Der Gedenkstein sei für die Familie eine besondere Geste, sagten die Geschwister und bestätigten Meyer zu Strohen: Der Besuch der Familie sei ein „Zeichen der Versöhnung“.