Bericht Neue Osnabrücker Zeitung vom 14.06.2017

Gar nicht so lustig war und ist das Leben der Sinti, das Wallenhorster Hauptschüler an der Universität Osnabrück szenisch darstellten. Foto: Egmont Seiler.
Die historische Zeitreise auf Einladung des AStA ging dabei zurück bis ins Mittelalter. Mario Franz als Vorsitzender des Vereins zum Erhalt der Kultur und Sprache der Sinti in Deutschland erläuterte, wie seitdem das „Feindbild“ des Zigeuners als „innerer Unruhestifter“ und „Gegenstück zum braven Bauern“ konstruiert und verfestigt wurde. Ohne staatlichen Schutz dienten die als „vogelfrei“ erklärten Sinti seit jeher als „perfekter Sündenbock“.
Antirassismus-AG
Mit dem Aufruf „Die Jagd ist eröffnet“ begann dann auch der erste von drei den Vortrag begleitenden Schauspielakten, mit denen sieben Schüler der Antirassismus-AG der Alexanderschule erstmals in einer neuen, jungen Besetzung das Schicksal der Sinti illustrierten. Die wortgewaltigen Einlagen von Rapper Einfach Sam dienten dabei als realistischer Gegenpol zum titelgebenden, verklärenden deutschen Volkslied „Lustig ist das Zigeunerleben“. Denn das Leben der derzeit rund 150.000 deutschen Sinti und deren Vorfahren war und ist alles andere als lustig.
Auch heute noch würden die sogenannten Zigeuner als „Asoziale und Kriminelle am Rande der Gesellschaft“ abgestempelt, bemerkte Siegfried Franz als Geschäftsführer des niedersächsischen Landesverbandes der Sinti. Dem Klischee des ihnen angedichteten Wandertriebs setzte er entgegen, dass das „böse und verhasste fahrende Volk“ der Sinti im Verlauf der Geschichte stets vertrieben worden sei – bis hin zu seiner versuchten Vernichtung im Nationalsozialismus.
Sinti als Forschungsobjekte
Im zweiten Akt des Schauspiels wurden wissenschaftliche Dokumente illustriert, die belegen, dass auch im Nachkriegsdeutschland noch bis in die Achtzigerjahre hinein Anthropologen Sinti als Forschungsobjekte betrachteten, denen ein „Wandergen“ innewohnt. Selbsternannte „Zigeunerexperten“ trugen als von der Justiz angehörte und von der Politik akzeptierte Gutachter das rassistische Gedankengut des Nationalsozialismus weiter, das Sinti als kriminelle „Untermenschen“ abstempelte.
Dass entsprechende Vorurteile auch in der Gegenwart noch in den Köpfen herumgeistern, brachte schließlich der von den Schülern selbst geschriebene dritte und letzte Akt auf den Punkt. Er zeigt eine Szene, in der die Tochter eines gut bürgerlichen Hauses einen Sinto als ihren neuen Freund vorstellt und damit bei ihren Eltern auf massive Ablehnung stößt.
Noch „weit entfernt“ sei man von der Anerkennung und Gleichbehandlung von Minderheiten, bemerkte am Ende der niedersächsische Landtagsabgeordnete und Europapolitiker Clemens Lammerskitten aus Wallenhorst, der selbst die Alexanderschule besucht hat, die sich seit 2010 auch ganz offiziell Schule ohne Rassismus und mit Courage nennen darf, wie Schulleiter Arne Willms betonte.